Häufige Nutzung von Handy, Computer und Co reduziert das Demenz-Risiko im Alter
Noch fit im Kopf? Der tägliche Gebrauch von digitalen Geräten wirkt sich offenbar nicht zwangsläufig negativ auf die geistigen Fähigkeiten aus. Im Gegenteil: Der lebenslange intensive Umgang mit digitalen Technologien scheint bei älteren Erwachsenen über 50 Jahren sogar dem geistigen Abbau entgegenzuwirken, wie eine Metastudie zeigt. Demnach könnten Computer, Smartphone und Co als eine Art Gehirnjogging dienen und vor Demenz schützen – oder den geistigen Abbau zumindest kompensieren.
Ob Computer, Handy oder das Internet – digitale Technologien sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Aber ist dies Fluch oder Segen – beispielsweise für unsere Denkfähigkeit und geistigen Leistungen? Bisher gibt es, basierend auf Einzelberichten, zwei Theorien dazu, wie uns die Digitalisierung verändert hat.
Die erste, in den Medien meist dominierende Hypothese sagt voraus, dass die lebenslange Nutzung digitaler Technologien die kognitiven Fähigkeiten langfristig verschlechtert und daher im Alter zu mehr Demenz führt. Die zweite, weniger verbreitete Hypothese besagt hingegen, dass die regelmäßige Nutzung dieser Technologien die geistigen Leistungen verbessert, weil die damit verbundenen Anforderungen wie eine Art Gehirnjogging wirken und die Geräte Verhaltensweisen erleichtern, die die Kognition erhalten.
Welche Hypothese stimmt?
Welche von beiden Hypothesen zutrifft, haben nun Jared Benge von der University of Texas in Austin und Michael Scullin von der Baylor University in Texas untersucht. Dafür werteten die beiden Neurowissenschaftler 57 Studien aus der ganzen Welt aus, die die Nutzung digitaler Technologien bei Erwachsenen im mittleren und höheren Alter analysiert hatten. Einbezogen wurden dabei Studien, die zusätzlich dazu entweder die Häufigkeit von Demenzdiagnosen oder aber Tests der geistigen Leistungen umfassten.
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An den Studien hatten über 400.000 Erwachsene über 50 Jahren teilgenommen; das Durchschnittsalter betrug 68,7 Jahre – ein Alter, in dem häufig erste Symptome von Demenz auftreten. Sie waren alle „digitale Pioniere“, gehörten also zu der Generation, die als erste mit digitalen Technologien in Kontakt gekommen ist. Als digitale Technologie gilt dabei die Nutzung eines Computers, eines Smartphones, des Internets oder einer Kombination der drei Techniken. Im Schnitt wurden die Testpersonen über einen Zeitraum von 6,2 Jahren beobachtet und (nach)untersucht.
Daten belegen positiven Effekt
Die Auswertung ergab: Ältere Erwachsene, die regelmäßig digitale Medien nutzen, erkranken nicht häufiger an einer Demenz als weniger technikaffine Altersgenossen. Auch ihre geistigen Leistungen nehmen nicht stärker oder schneller ab – im Gegenteil. Über-50-Jährige, die häufig im Internet unterwegs sind, am Computer arbeiten oder Smartphones nutzen, hatten ein um 58 Prozent geringeres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen oder geistigen Abbau, wie Benge und Scullin ermittelten.
Dieser Zusammenhang konnte nicht durch demografische, sozioökonomische, gesundheitliche oder andere Lebensstilfaktoren erklärt werden, sondern war ausschließlich auf den regelmäßigen Umgang mit der digitalen Welt zurückzuführen, betonen Benge und Scullin. Ihren Angaben nach gibt es demnach keine Belege dafür, dass uns digitale Geräte langfristig verblöden lassen oder dement machen. Dies widerlegt die Hypothese von der „digitalen Demenz“.

Warum steigert Technik die geistige Fitness?
Demnach hält uns die Digitalisierung tendenziell eher geistig fit und verringert das Risiko für Demenzerkrankungen. „Wir könnten lange darüber sprechen, inwiefern die Nutzung von Technologie negativ sein kann. Der Nettoeffekt seit den 1990er Jahren ist jedoch positiv für die allgemeine Kognition bei älteren Erwachsenen“, fasst Scullin zusammen.
Warum das so ist, geht aus den analysierten Daten nicht hervor. Die Forschenden haben jedoch einige Vermutungen. Eine Rolle könnte das Netzwerken und Kontakt halten mit Freunden und Familie spielen, welches durch Smartphone, Tablet und Co erleichtert wird. Dass rege soziale Kontakte vor Einsamkeit und Demenz schützen, ist durch mehrere Studien belegt.
Handy und Co als Gehirnjogging
Denkbar wäre aber auch, dass die digitalen Geräte an sich als eine Art Gehirnjogging dienen – ähnlich wie Lesen, Malen oder Kreuzworträtsel – und uns so langfristig geistig gesund halten. Benge und Scullin betonen, dass die Ergebnisse für eine Generation älterer Erwachsener gelten, die erst nach ihrer Kindheit mit den ersten technologischen Fortschritten in Berührung gekommen sind.
Für diese Gruppe stellt der Umgang mit Computern, Internet und Smartphones eine kognitive Herausforderung dar, da die Technik sich ständig weiterentwickelt und mit jedem Update eine Anpassung erfordert. „Wenn Sie das jahrelang tun und sich wirklich darauf einlassen, auch wenn Sie dabei Frustration verspüren, kann das ein Zeichen dafür sein, dass Sie Ihr Gehirn trainieren“, sagt Scullin.
Verschleierte Demenz?
Ebenso wäre es aber auch möglich, dass digitale Geräte nur verschleiern, dass Menschen geistig abbauen. Durch Technologien wie Google, Erinnerungs-Apps, Navis und Online-Banking bleiben Erwachsene heute im Alltag länger von fremder Hilfe unabhängig, auch wenn ihre geistigen Kräfte schon nachlassen. Die Geräte können demnach einige Defizite kompensieren und Demenz-Diagnosen verzögern, merkt das Team an.
Ob für Menschen, die digitale Geräte von klein auf kennen und den Umgang mit ihnen schon als Kind lernen, ähnliche Zusammenhänge gelten, können erst Folgestudien zeigen, wenn diese „Digital Natives“ in das Risikoalter für Demenz kommen. Diese Generationen nutzen digitale Geräte nicht nur früher im Leben, sondern auch anders – etwa sind sie in sozialen Medien aktiver oder erstellen mehr Videos –, woraus sich andere Langzeiteffekte ergeben können.